14.03.2024

Funktionstraining – Stellungnahme zur Durchführung von Trockengymnastik anstelle von Wassergymnastik aus therapeutischer Sicht aufgrund von Kapazitätsengpässen

 

1. Ausgangslage

Die ohnehin schon kritische Lage im Schwimm- und Badewesen hinsichtlich von Kapazitätsengpassen, hat sich durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Russland-Konflikt noch weiter angespannt und führt bundesweit zu weiteren Bäderschließungen. Die stark steigenden Kosten für u.a. Strom und Heizung sowie der enorme Fachkräftemangel haben dazu geführt, dass viele Badbetreiber Insolvenz anmelden oder aber nach den Lockerungen der Corona-Regelungen gar nicht erst wieder öffnen.

Früher hatte fast jede Kommune ein Frei- oder Hallenbad. Heute kann sich kaum noch eine Kommune solch eine Einrichtung leisten.

2. Rheuma-Liga Bremen e.V. und Auswirkungen auf die Warmwassertherapie

Durch die steigenden Energiekosten, die Corona-Pandemie und den starken Fachkräftemangel, sind weitere Kapazitätsengpässe kaum abwendbar und betreffen bereits und auch zukünftig den Bereich der therapeutischen Bewegungsangebote im Wasser. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die ohnehin schon unverhältnismäßig hohen und weiter steigenden Energiekosten zu senken.

Die Kosten für Wasser, Energie und Instandhaltung von Badbetrieben sind enorm. Besonders das Beheizen von Bewegungs- und Therapiebecken, um bestimmte Temperaturen konstant hoch zu halten, erfordert Unmengen an Energiereserven, weswegen viele Badbetreiber ihre Bäder in der Vergangenheit schon schließen oder aber die Eintrittspreise anpassen und erhöhen mussten. Ebenfalls das Thema „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ zwingt die Bäder dazu, nicht nur Energie einzusparen, sondern auch die Energieeffizienz zu steigern, um ihren geforderten Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele zu leisten (vgl. DGfdB, 2022 [1]). Zukünftig müssen auch Bäder gewisse energetische Standards vorweisen, die mit erheblichen Kosten durch energetische Modernisierungsmaßnahmen einhergehen, die langfristig ebenfalls zu Badschließungen führen werden.
Konkret bedeutet dies für die Rheuma-Liga Bremen e.V. und ihre Versicherten, Mitglieder und Teilnehmenden an den Bewegungsangeboten im Bereich der Wassergymnastik, dass während der Krise ein Umdenken stattfinden muss und Alternativen angeboten und in Anspruch genommen werden müssen.
Ein adäquater Lösungsansatz stellt hierbei die Inanspruchnahme von Funktionstraining im Bereich der Trockengymnastik dar.

3. Funktionstraining – Trockengymnastik

Bewegung gilt grundsätzlich als Antirheumatikum (vgl. Hofmeister [2]). Dies ist dabei erst einmal unabhängig von den örtlichen Gegebenheiten – ob im Wasser oder an Land – zu betrachten. „Ein regelmäßiges Bewegungstraining bewirkt evidenzbasiert bei rheumatischen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Arthrose, Fibromyalgie und Spondylarthritis Verbesserungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, der körperlichen und psychischen Funktionskapazität […] und der Muskelkraft sowie eine Verringerung der Schmerzintensität. Hierbei sind bei korrekter Durchführung weder vermehrte Gelenkschäden noch eine Erhöhung der Krankheitsaktivität zu befürchten.

Für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen ist ein individuell dosiertes und überwachtes Kraft- und Ausdauertraining, das in Abhängigkeit von Gesundheits- und Fitnesszustand des Patienten mit individuell dosierten Dehn-, Koordinations- und Gleichgewichtsübungen kombiniert wird, zentral“ (ebd.). Das Training kann sowohl in der Halle als auch im Becken durchgeführt werden.

„Ziel des Funktionstrainings ist der Erhalt und die Verbesserung von Funktionen sowie das Hinauszögern von Funktionsverlusten einzelner Organsysteme/Körperteile, die Schmerzlinderung, die Bewegungsverbesserung und die Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung. Funktionstraining fördert umfassend die funktionale Gesundheit von Personen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen und zielt dabei auch auf Gesundheits-, Verhaltens- und Verhältniseffekte ab. Es fördert die Krankheitsbewältigung, Lebensqualität und gesellschaftliche Teilhabe, insbesondere die soziale und berufliche Teilhabe und die Hilfe zur Selbsthilfe“ (BAR, 2022 [3]). Funktionstrainingsarten sind insbesondere die Trockengymnastik und die Wassergymnastik (vgl. ebd).

Studien [4] zufolge wird der Trockengymnastik ein ebenso hoher Stellenwert wie der Bewegung im Wasser zugesprochen. Denn, „grundsätzlich kommen für Menschen mit Rheuma alle Aktivitäten infrage, die die Gelenke nicht übermäßig belasten und die Beschwerden nicht verstärken. Geeignet sind Bewegungsarten, bei denen alle Gelenke schonend bewegt und die Muskeln gestärkt werden: Gehen/Walking, Radfahren, Schwimmen, Tanzen, [Trocken]Gymnastik und Wassergymnastik“ (ebd.).

Sicherlich gibt es auch im Bereich des Wassers Vorteile gegenüber der Trockengymnastik. Dazu gehören zum Beispiel, dass Übungen ggf. leichter fallen und weniger Schmerzen, wenn stärkere Funktionseinschränken, Schmerzen und/oder Übergewicht vorliegen.

Durch die Wärme des Wassers besteht gleichzeitig ein thermischer Reiz, der Muskelverspannungen und Steifigkeit entgegenwirkt.

Aber diese Vorteile bringen gleichzeitig auch Nachteile mit sich, die im Bereich der Trockengymnastik ausgeglichen werden, denn bei der Wassergymnastik entfallen die Stimulation für die Knochenneubildung und die Verbesserung der Muskelkraft. Wenn die Muskelkraft gefördert werden soll, müssen Übungen gegen den Wasserwiderstand durchgeführt werden.

Es erfolgt in der Warmwassertherapie daher meist keine Stimulation des Knochenaufbaus. Die Muskelkräftigung kann nur eintreten, wenn gegen Widerstand gearbeitet wird. Zudem ist eine Korrektur durch den Anleitenden nur schwer möglich, da die optische Kontrolle eingeschränkt ist ebenso wie die Haltungsschulung und die Sturzprophylaxe.

Auch die Belastung des Herzkreislaufsystems ist bei der Wassertherapie nicht unerheblich.

Die Trockengymnastik bietet somit folgende Vorteile:

– Kommunikation der Gruppenteilnehmer untereinander ist besser möglich
–  Spielerische Bewegungsformen sind einfacher
–  Der Therapeut hat eine bessere Sichtkontrolle bei der Durchführung der Übungen und kann korrigierend eingreifen
– Trockengymnastik ist in Bezug auf ein korrektes Bewegungsverhalten der Gelenke und deren Mobilisation effektiver ist als die Wassergymnastik.
– Trockengymnastik ist für den Muskelaufbau und die Knochendichte günstiger.

Zusammengefasst ist die Trockengymnastik also sogar Wassergymnastik immer vorzuziehen, außer es bestehen starke Funktionseinschränkungen, die nur unter Entlastung zu behandeln sind.

In der Leitlinie Fibromyalgiesyndrom der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. (2017) [5] erhielten beide Therapieformen (Trocken- und Wassergymnastik) gleichermaßen eine starke Empfehlung. Weiter heißt es: „Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Land- und Wassergymnastik in der Reduktion von Schmerz und der Verbesserung der [gesundheitsbezogenen Lebensqualität] am Therapieende. Auf Grund der hohen Verfügbarkeit und Patientenpräferenzen erfolgte eine Höherstufung der Empfehlung um eine Stufe“ (ebd.).

Für viele Teilnehmende an den Angeboten im Bereich der Wassergymnastik stellt die Bewegungstherapie im Warmwasserbecken eine angenehme Form der Bewegung aufgrund bestimmter physikalischer Eigenschaften und Wirkungen des Wassers, wie oben beschrieben, dar. Diese Effekte lassen sich aber gleichermaßen und in stärkerer Form auch bei der Trockengymnastik umsetzen. Durch schonende Bewegungen an Land und weiterer Möglichkeiten (z.B. Durchführung von Hockergymnastik), werden vergleichbare therapeutische und darüberhinausgehende Wirkungen erzielt.

Aus therapeutischer Sicht stellt die Trockengymnastik aufgrund oben aufgeführter Sachverhalte daher eine sinnvolle und sogar effizientere Alternative zur Wassergymnastik dar und sollte im Zuge zunehmender Bäderschließungen und vor dem Hintergrund effizienterer Wirkungen in Anspruch genommen werden. Die Umwandlung von Wassergymnastik in Trockengymnastik kann durch den verordnenden Arzt erfolgen.

Die Rheuma-Liga Bremen e.V. dankt allen Betroffenen für ihr Verständnis und plädiert an das Solidargefühl eines jeden!

Lassen Sie uns auch diese Krise gemeinsam bewältigen.

Ihr Team der Rheuma-Liga Bremen e.V.

 

Quellennachweis:

[1] Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Schwimmbädern | Deutsche Gesellschaft für das Badewesen  (DGfdB) (baederportal.com) 

[2] Bewegung-bei-rheumatischen-Erkrankungen-In-VFED-eV-Hrsg-Essen-fuer-mehr-Wohlbefinden-Die-richtige-Ernaehrung-bei-entzuendlichem-Rheuma-und-Gicht-Aachen-VFED-eV-2015-52-57.pdf (researchgate.net)

[3] Rehabilitationssport und Funktionstraining (bar-frankfurt.de)

[4] Thieme E-Journals – Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin / Abstract (thieme-connect.com) 

[5] S3_Fibromyalgiesyndrom_2017_lang.pdf (dgppn.de)